Einführung
In
Gerichtsentscheidungen und im wissenschaftlichen Schrifttum wird zur Auslegung
von Vorschriften nicht selten auf den Willen und die Vorstellungen des Gesetz-
oder auch Verordnungsgebers Bezug genommen. Diese ergibt sich aus den
Gesetzgebungsmaterialien. Dabei handelt es sich um die Bundesrats- oder
Bundestags-Drucksachen, on welchen die Entwürfe und die Beschlüsse im
Gesetzgebungsverfahren veröffentlicht werden. Welche das konkret sind, hängt
von dem Verlauf des konkreten Gesetzgebungsverfahrens ab.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Die
meisten Gesetzentwürfe sind Gesetzentwürfe der Bundesregierung. Sie werden
zunächst als Bundesrats-Drucksache veröffentlicht, weil jeder Gesetzentwurf der
Bundesregierung im Normalfall erst dem Bundesrat vorgelegt werden muss, bevor
er in den Bundestag eingebracht werden kann. Unter dieser Drucksache-Nummer
beschließt der Bundesrat seine Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf. Anschließend
nimmt die Bundesregierung dazu in ihrer Gegenäußerung Stellung. Erst dann darf
der Entwurf in den Bundestag eingebracht werden. Das geschieht in einer
Bundestags-Drucksache, die aus drei Teilen – Gesetzentwurf der Bundesregierung,
Stellungnahme des Bundesrats und Gegenäußerung der Bundesregierung - besteht.
Wenn ein Gesetzentwurf besonders eilbedürftig ist, darf er vor der
Stellungnahme des Bundesrats und der Gegenäußerung in den Bundestag eingebracht
werden. Dann enthält die Bundestags-Drucksache nur den Gesetzentwurf der
Bundesregierung. Die Stellungnahme des Bundesrats und die Gegenäußerung der
Bundesregierung werden Gegenstand einer gesonderten Bundestags-Drucksache.
Der
Gesetzentwurf wird im Bundestag normalerweise in erster Lesung beraten und an
die Bundestags-Ausschüsse verwiesen. Der federführende Bundestagsausschuss
beschließt unter Einbeziehung der Voten der mitberatenden Bundestagsausschüsse
eine Empfehlung an das Plenum, die den Vorschlag der Ausschüsse enthält, ob und
in welcher Fassung der Gesetzentwurf beschlossen werden sollte. Diese
Beschlussempfehlung wird in einer Bundestags-Drucksache veröffentlicht und ist
das er zweite Dokument der Gesetzgebungsmaterialien. Daran schließen sich die
2. Und die 3. Lesung an. In der 2. Lesung können noch Anträge gestellt werden,
die jeweils auf einer besonderen Bundestags-Drucksache veröffentlicht werden.
In der 3. Lesung können keine Anträge gestellt werden. Mit dem daran anschließenden
Gesetzesbeschluss des Bundestags endet die Beratung im Bundestag. Dieser
Gesetzbeschluss wird in einer Bundesrats-Drucksache veröffentlicht. Denn alle
Gesetze, die der Bundestag beschließt, passieren als nächstes den Bundesrat,
unabhängig davon, ob sie zustimmungspflichtig sind oder nicht. Wenn der
Bundesrat mit dem beschlossenen Gesetz einverstanden ist, stimmt er auf der
Bundesrats-Drucksache zu oder beschließt, keinen Einspruch zu erheben. Wenn er
nicht einverstanden ist, ruft er auf dieser Drucksache den
Vermittlungsausschuss an. Die Anrufung wird Gegenstand einer weiteren
Bundestags-Drucksache. Der Vermittlungsausschuss beschließt einen
Vermittlungsvorschlag, der in einer weiteren Bundestags-Drucksache
veröffentlicht und nacheinander von Bundestag und Bundesrat beschlossen wird,
die ihn nur so annehmen oder ablehnen können.
Gesetzentwurf einer Fraktion
Auch
die Fraktionen des Bundestags dürfen Gesetzentwürfe in den Bundestag
einbringen. Sie werden sofort auf einer Bundestags-Drucksache in den Bundestag
eingebracht. Es gibt weder eine Stellungnahme des Bundesrats noch eine
Gegenäußerung der Bundesregierung. Der weitere Ablauf gestaltet sich wie bei
einem Gesetzentwurf der Bundesregierung.
Gesetzentwurf des Bundesrats
Auch
der Bundesrat kann Gesetzentwürfe einbringen. Der Entwurfsvorschlag wird von
einem oder mehreren Landesregierungen auf einer Bundesrats-Drucksache in den
Bundesrat eingebracht. Denn er muss erst dort beraten und beschlossen werden.
Nach einer Plenarberatung wird er an die Bundesratsausschüsse verwiesen. Die
Ausschüsse beschließen eine Empfehlung, die auf einer Unterdrucksache zu der
Entwurfs-Drucksache veröffentlicht wird. Im Plenum können weitere Anträge
gestellt werden, die ebenfalls auf weiteren Unterdrucksachen zu der Entwurfs-Drucksache
veröffentlicht werden. Den Abschluss bildet der Gesetzesbeschluss des
Bundesrats. Der Entwurf ist nun ein Entwurf des Bundesrats und wird mit einer
Stellungnahme der Bundesregierung in den Bundestag eingebracht. Dort wird er
auf einer Bundestags-Drucksache veröffentlicht. Der weitere Ablauf gestaltet
sich wie bei einem Entwurf der Bundesregierung.
Rechtsverordnungen
Materialien
gibt es auch für Rechtsverordnungen. Das gilt allerdings nur für
Rechtsverordnungen, die der Zustimmung des Bundesrats bedürfen oder zunächst
dem Bundestag oder einem seiner Ausschüsse vorgelegt werden müssen.
Rechtsverordnungen, die der Zustimmung des Bundesrats bedürfen, werden auf
einer Bundesrats-Drucksache in den Bundesrat eingebracht. Änderungsvorschläge
des Bundesrats sind möglich und werden in der Beschlussempfehlung der
Bundesratsausschüsse oder zusätzlichen Plenaranträge auf Unter-Drucksache zu
der Ausgangs-Bundesrats-Drucksache veröffentlicht. Rechtsverordnungen, die dem
Bundestag vorgelegt werden müssen, werden normalerweise auf einer
Bundestags-Drucksache veröffentlicht.
EU-Verordnung und –Richtlinie
Die
Entwürf von EU-Verordnungen und Richtlinie werden zwar im Amtsblatt Teil C der
EU veröffentlicht, aber nur der Text, nicht die Begründung. Die Begründung erhalten
die Mitgliedstaaten. Die weitere Entwicklung des Dokumentes findet im Rat und
im EP weitgehend auf internen Dokumenten statt. Die Entwürfe werden in
Deutschland aber alle dem Bundesrat vorgelegt und dort auf einer
Bundesrats-Drucksache veröffentlicht.
Bei
Nachfragen senden Sie mir eine Mail an Johanna@Schmidt-Raentsch.eu
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8.
August 2023